Straßenkinder: Heinrich Zille


Im Jahr 2008 fand in der Akademie der Künste am Pariser Platz eine große Zille-Ausstellung zum 150. Geburtstag statt. Leider gab es damals meine Homepage noch nicht. Daher soll jetzt nachträglich an den so bedeutenden Berliner Zeichner Heinrich Zille (1858-1929) erinnert werden. Zille zeichnete und fotografierte das Berliner Arbeitermilieu vor dem Ersten Weltkrieg. Er stammte aus armen Verhältnissen und war selbst Arbeiter. Ab 1872 erlernte er in Berlin den Beruf des Lithographen und war im grafischen Gewerbe tätig. Als ihn seine Firma 1907 entlassen hatte, widmete er sich ganz seiner Kunst.


Seine expressionistischen Zeichnungen waren meist humoristisch, teils auch sozialkritisch. Er zeichnete für die Zeitschriften Lustige Blätter, Jugend, Simplicissimus, Ulk und den lieben Augustin. Sein Spitzname war Pinselheinrich. Zille war ein Freund der Armen, des fünften Standes. Ihm wird der Ausspruch zugeschrieben: "Man kann mit einer Wohnung einen Menschen genauso töten wie mit einer Axt". Es ist klar, dass Zilles Kunst im Kaiserreich von der Obrigkeit nicht gern gesehen wurde. Kaiser Wilhelm II. nannte sie schlicht Rinnsteinkunst. In den 1920er Jahren gab es neben den Zille-Büchern auch Zille-Filme. Der beste war Mutter Krausens Fahrt ins Glück von 1929, der unter dem Protektorat von Käthe Kollwitz, Hans Baluschek und Otto Nagel stand.


Wenn es Heinrich Zille nicht gegeben hätte, dann wüssten wir heute kaum noch, wie das Volk vor hundert Jahren gelebt hat. Am liebsten zeichnete Zille Kinder, egal ob in der dunklen Kellerwohnung, im Hinterhof des Berliner Ostens oder im Strandbad Wannsee. Ihnen ist ein ganzes Buch gewidmet mit dem Titel Kinder der Straße von 1908, sein erstes Buch, das ein großer Erfolg wurde. Noch besser und bis heute unübertroffen ist sein Bildband Mein Milljöh von 1914. Die Zille-Bücher können noch heute in jeder Buchhandlung für unter 10 Euro bestellt werden.


Dr. Christian G. Pätzold, April 2011.

Zille2

Zille1